"Wandel in Schlesien ist erstaunlich" - Interview mit Polens Ministerin für Regionalentwicklung
WirtschaftsBlatt: Im Vergleich zu anderen neuen Mitgliedsländern ist Polen sehr erfolgreich dabei, europäisches Geld aufzutreiben...
Elzbieta Bienkowska: Auftreiben? Das mag sein, aber da geht es um gute Projekte und korrekte Einreichungen und um Verhandlungen auf höchster Ebene - mag sein, dass wir da erfolgreich sind.
Natürlich - und man muss auch geeignete Projekte vorweisen...
Ja, wir haben ausreichend Verwaltungskapazität und haben auch die institutionellen Voraussetzungen geschaffen, um für europäische Projekte gut einreichen zu können. Und wir können nachweisen, dass wir mit dem Geld Mehrwert erzeugen - was ja in letzter Zeit bei manchen südeuropäischen Staaten in Zweifel gezogen wurde.
In Zeiten der Krise wird es nicht leicht werden, in der nächsten Budgetperiode wieder so viel Geld zu bekommen. Was erwarten Sie - wird es sehr viel weniger werden?
Es wird nicht leicht, es geht ja wirklich um sehr viel Geld. Aber wenn man es anders betrachtet: Es geht um nicht mehr als 2,5 Prozent der staatlichen Ausgaben von ganz Europa. Ich glaube nicht, dass eine Reduktion um ein Zehntel für irgendeinen Staat einen Unterschied ausmachen würde. Und ich glaube auch nicht, dass das Geld anderswo besser eingesetzt würde.
Das ist der Punkt: Geld für Regionalförderung sollte doch wohl bewirken, dass die ärmsten Regionen an die reicheren herangeführt werden. Und da war Polen wohl nicht so erfolgreich: Die ärmsten Regionen Polens hatten weniger Wachstum als die reicheren.
BIP seit EU-Beitritt gewachsen
Seit dem EU-Beitritt ist das polnische BIP von 45 auf 65 Prozent des europäischen Durchschnitts gewachsen - das war ein gewaltiger Sprung.
Polen als Ganzes, ja ...
Auch die ärmeren Regionen im Osten Polens, die besonders gefördert werden, haben einen gewaltigen Sprung gemacht - sie sind ja bei ungefähr 30 Prozent gestartet und sind jetzt auch über 60.
Nach den Zahlen von Eurostat sind die ärmsten ostpolnischen Regionen von 2000 bis 2009 weniger stark gewachsen als Polen insgesamt.
Ich bin sicher, dass aktuelle Zahlen besser sind. Es ist im Osten sichtbar, dass sich einiges geändert hat. Wir tun dort sehr viel für Klein-und Mittelunternehmen, Bildung und Infrastruktur. Die Entwicklung läuft auch entlang der Autobahnen, und die haben im Osten gefehlt.
Polen hat ja in den letzten Jahren viele Autobahnen gebaut...
Viele? Die am dringendsten benötigten: die Nord-Süd-und West-Ost-Verbindungen.
... aber die A4, die von den ärmsten Regionen im Südwesten am dringendsten benötigt wird, ist noch unvollendet.
Ja, da hatten wir Probleme mit den Auftragnehmern, daher wurde die Frist für die Fertigstellung nicht eingehalten. Keine Angst, wir werden sie nicht unvollendet lassen.
Mit ein Grund für die schwache Entwicklung in Ostpolen ist wohl, dass diese Gebiete an der EU-Außengrenze liegen ...
Ich glaube nicht, dass die Grenze der Grund für die schwache Entwicklung dieser Region ist, diese Schwäche gibt es schon lange. Wir haben im Nordwesten ausgedehnte Wälder, Seen, Grünland. Dort sollte man nicht groß Fabriken hinbauen, das wäre den Menschen dort auch nicht recht. Dort braucht man natürlich eine ordentliche IT-Infrastruktur, Straßen und Bahnen, um das für Tourismus nutzen zu können. Im Südosten hingegen haben wir Industrie. Dort entsteht ein Zentrum für den Flugzeugbau, das polnische Silicon Valley, wir haben dort auch entsprechende Universitäten, und das wächst ganz ordentlich.
Vor Ihrer politischen Karriere waren Sie für die Regionalentwicklung Schlesiens zuständig. - offensichtlich sehr erfolgreich. Wäre es nicht eine gute Idee, etwa für ein Jahr nach Lublin zu übersiedeln?
Schlesien ist schon eine ganz spezielle Region: Es war traditionell reich - vor allem wegen seiner Schwerindustrie. Aber die Zahl der Beschäftigten in der Schwerindustrie ist von 400.000 auf 100.000 gesunken. Ich kenne keine Region in Europa, in der so etwas in so kurzer Zeit gelungen ist - neben einer Revolution. Der Strukturwandel, der hier geschehen ist, ist wirklich erstaunlich. Wir können glücklich sein.
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